Neue Vorschriften für EU-Crowdfunding

 

 

 

Veröffentlicht in VentureCapital Magazin Ausgabe Start-up 2022 60f.
Von Dr. Matthias Gündel und Christina Gündel

Ab dem 10. November 2021 ist die EU-Crowdfunding-Verordnung (Verordnung (EU) 2020/1503 des Europäischen Parlaments und des Rates über Europäische Schwarmfinanzierungsdienstleister) in jedem EU-Mitgliedstaat anzuwenden. Damit gelten erstmalig im gesamten EU-Binnenmarkt einheitliche Regeln – eine erhebliche Erleichterung für Crowdfunding-Plattformen, die ihre Dienstleistungen grenzüberschrei­tend anbieten wollen. Bisher galten in jedem Mitgliedstaat unterschiedliche Vorschriften.

Die EU-Verordnung erweitert den Kreis der infrage kommenden Crowdfunding-Instrumente. In ih­ren Anwendungsbereich fallen zum Beispiel unbedingt rückzahlbare Kredite, übertragbare Wert­papiere (wie Aktien, Anleihen oder Genussscheine) und andere für Crowdfunding-Zwecke zugelas­sene Instrumente. ­Damit entstehen neue Geschäfts­möglichkeiten für Plattformen, wie etwa das Crowd­lending. Hier vermittelt die Plattform Kredite, die von mehreren Privatpersonen zum Beispiel an Unter­nehmen vergeben werden. Das Finanzierungslimit für Projekte ohne Kapitalmarktprospekt wird EU-weit auf bis zu 5 Mio. EUR über einen Zeitraum von zwölf Monaten erhöht.

Unterschied Nachrangdarlehen und Crowdlending „echter“ Kredite

Bei den kreditbasierten Crowdfunding-Instrumenten wurden in Deutschland bisher hauptsächlich qualifiziert nachrangige Darlehen verwendet. Diese stellen jedoch mangels einer unbedingten Rückzahlungsverpflichtung keine Kredite im Sinne der EU-Verordnung dar. Schwarmfinanzierungsdienstleistungen außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung, wie das Angebot von Nachrangdarlehen, richten sich weiterhin nach § 2a Vermögensanlagengesetz. Dagegen stellt die Emission und Vermittlung von „echten“ Krediten ein zulässiges Crowdfunding-Instrument im Sinne der EU-Verordnung dar. Für Anleger (Kreditgeber) kann dies aufgrund der leichteren Durchsetzbarkeit der Ansprüche eine attraktive Variante sein, denn der Kreditnehmer ist zur unbedingten Rückzahlung des vereinbarten Kredits verpflichtet, plus Zinsen. Damit wird der Weg frei für mehr Crowdlending-Geschäfts­modelle in Deutschland – ohne Zusammenarbeit mit einer Bank war das bisher nicht möglich.

Zulassung als Schwarmfinanzierungsdienstleister

Crowdfunding-Plattformen benötigen künftig eine Zulassung für Schwarmfinanzierungsdienstleistungen in der gesam­ten EU. Gleichzeitig werden sie einer mit Finanzdienstleistern und zukünftigen Wertpapierinstituten vergleichbaren Aufsicht unterstellt. Voraussetzungen sind eine Niederlassung in einem ­EU- Mitgliedstaat und ein Antrag auf Zulassung durch die zustän­dige Zulassungsbehörde des Mitgliedstaats. Diese entscheidet innerhalb von drei Monaten über den Antrag. Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) führt ein aktuelles Verzeichnis aller zugelassenen Crowdfunding-Dienstleister auf ihrer Internetseite. Hinzu kommen deutlich strengere organisatorische und betriebliche Anforderungen an Plattformen, denn die Verordnung gibt für alle Anbieter in der EU Regelungen zur internen Organisation, zur Geschäftsleitung, zu Sorgfalts- und Verhaltenspflichten sowie zum Umgang mit Interessenkonflikten und Beschwerdeverfahren vor. Einzuplanen ist also mehr Aufwand für die Compliance.

Anlagebasisinformationsblatt und Anlegerschutz

Plattformbetreiber müssen potenziellen Anlegern für jedes Angebot ein vom Projektträger erstelltes Anlagebasisinformationsblatt zur Verfügung stellen. Dieses muss der Plattformbetreiber auf Vollständigkeit, Richtigkeit und Klarheit überprüfen. Den ­Inhalt gibt Anhang I der Crowdfunding-Verordnung vor. Bei nicht kundigen Anlegern sind deren Kenntnisse und Erfah­rungen zu prüfen, und es muss eine Simulation der Fähigkeit durchgeführt werden, Verluste zu tragen. Grundsätzlicher Höchstanlagebetrag für sie sind 1.000 EUR oder 5% ihres Rein­vermögens pro Projekt. Bei höheren Investitionen muss der Crowdfunding-Dienstleister sicherstellen, dass der Anleger ­einen Warnhinweis erhält, dass die angebotenen Schwarmfinanzierungsdienstleistungen für ihn ungeeignet sein könnten und dass ein Totalverlustrisiko besteht. Vom Anleger ist eine Bestätigung von Erhalt und Verständnis der Warnhinweise einzuholen. Zusätzlich muss der Plattformbetreiber eine vorvertragliche Bedenk­zeit gewähren, während der potenzielle nicht kundige Anleger sein Anlageangebot ohne Begründung und ohne Vertragsstrafe widerrufen kann. Außerdem gilt: Plattformbetreiber müssen die Ausfallquoten der letzten 36 Monate ihrer angebotenen Crowdfunding-Projekte veröffentlichen.

Inkrafttreten und Übergangsregelung

Die Crowdfunding-Verordnung gilt ab dem 10. November 2021 unmittelbar in jedem EU-Mitgliedstaat. Übergangsregelung: Im Anwendungsbereich der Verordnung können Plattformen bis zum 10. November 2022, oder bis die neue Zulassung erteilt ­wurde, weiterhin gemäß geltenden nationalen Rechtsvorschriften Schwarmfinanzierungsdienstleistungen erbringen.

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