DAS INVESTMENT 03/2022
von Christina Gündel und Matthias Gündel
Was muss ein Anlageberater prüfen, und worüber muss er aufklären?
Praxishinweis für die Berater: Anlageberater oder Anlagevermittler müssen eine Plausibilitätsprüfung der Angaben im Prospekt vornehmen. Bei nicht prospektpflichtigen Anlagen muss der Anlageberater prüfen, ob die Informationen, die er zur Sachwertanlage erhalten hat, hinreichend und nicht erkennbar unzutreffend sind.
Eine juristische Prüfung, die internationales Recht oder sachenrechtliche Fragen berührt, kann und muss der Berater dagegen nicht vornehmen. Die Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen vom 12. Mai 2021 (Aktenzeichen: 1 U 22/20) nimmt Bezug auf zahlreiche Urteile des Bundesgerichtshofs zur Anlageberaterhaftung. Es ist grundsätzlich beachtenswert, wenn Kapitalanleger ihren Beratern Pflichtverletzungen vorwerfen.
In dem Urteil des OLG Bremen ging es um Container-Direktinvestments – der Sachverhalt:
Ein Anleger klagte auf Schadenersatz. Der Beklagte hätte ihn fehlerhaft zum Anlagekonzept beraten. Der Anleger hatte über Jahre wiederholt Geld in Schiffscontainer investiert. Zunächst erhielt der Kläger vor dem Landgericht Bremen mit dem Urteil vom 30. Januar 2020 (Az.: 2 O 1226/18) recht. Das Gericht verurteilte den Beklagten wegen Verletzung von Aufklärungspflichten zu Schadenersatz.
Daraufhin legte der Anlageberater Berufung ein – und hatte Erfolg. Zwischen den Parteien sei zwar ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen. Die Beklagte habe aber keine Prüfungs- und Aufklärungspflichten verletzt, die Schadenersatzansprüche des Klägers begründen, urteilte das OLG Bremen.
Ein Anlageberatungsvertrag kommt regelmäßig dann zustande, wenn ein Anleger weder ausreichende wirtschaftliche Kenntnisse noch genügend Überblick über wirtschaftliche Zusammenhänge hat – und deshalb nicht nur Informationen, sondern auch eine individuell zugeschnittene fachkundige Beurteilung erwartet, für die er schließlich auch bezahlt (BGH, Urteil vom 15. Mai 2012, NJW 2012, 3177). Der Vertrag kann auch stillschweigend zustande kommen, indem der Interessent an den Berater oder der Berater an den Interessenten herantritt und das Beratungsgespräch beginnt (BGH, Urteil vom 6. Juli 1993, BGHZ 123,126).
Der Anlagevermittler muss im Rahmen der Plausibilitätsprüfung das Anlagekonzept auf seine wirtschaftliche Tragfähigkeit kontrollieren. Zudem hat er sicherzustellen, dass der Prospekt zum Vertrieb der Anlage ein schlüssiges Gesamtbild über das Objekt gibt. Dabei müssen die darin enthaltenen Informationen sachlich, richtig und vollständig sein (BGH, Urteil vom 5. März 2009, WM 2009, 739).
Die Prüfpflichten des Anlageberaters
Die Prüfungspflicht des Anlageberaters reicht dagegen weiter. Er muss eine Investition, die er dem Anleger empfehlen will, mit dem üblichen kritischen Sachverstand prüfen. Falls er das nicht tut, muss er den Anleger darauf hinweisen. Eine Haftung wegen unterlassener oder fehlender Prüfung des Anlagekonzepts setzt voraus, dass dem Berater beim Prüfen ein Risiko hätte auffallen müssen, über das er den Anleger nicht aufgeklärt hat. Oder aber wenn erkennbar geworden wäre, dass das Empfehlen der Anlage nicht anleger- oder objektgerecht ist (BGH, Urteil vom 7. Oktober 2008, BGHZ 178,149).
Ist vertraglich festgelegt, dass nur gattungsmäßig bestimmte Container übereignet werden sollen, und bei Vertragsabschluss noch nicht bekannt, um welche Container es im Einzelnen geht, ist das kein aufklärungsbedürftiger Mangel des Anlagekonzepts, der einem Eigentumserwerb des Anlegers entgegensteht (BGH, Urteil vom 22. März 1982, WM 1982, 690).
Um das sachenrechtliche Bestimmtheitsgebot zu erfüllen, reicht es aus, wenn zum vereinbarten Zeitpunkt jeder Dritte, der den Vertrag kennt, ohne Weiteres erkennen kann, welche individuell bestimmten Container übereignet werden sollen (Fortführung von BGH, Urteil vom 20. März 1986, WM 1986, 594).
Eventuell einschlägiges ausländisches Sachenrecht ist nur dann ein erkennbarer Mangel des Anlagekonzepts, wenn es ersichtlich die Möglichkeit des Eigentumserwerbs behindert (Fortführung von BGH, Urteil vom 30. März 2017, BKR 2017, 340). Die Darlegungslast trägt dabei der Anleger (BGH Urteile vom 15. November 2012, WM 2012, 2375; 20. Juni 2013 III ZR 293/12 und 30. März 2017, WM 2017,800).
Die Aufklärungspflichten des Anlageberaters
Der Anlageberater muss den Interessenten nicht über die rechtlichen und tatsächlichen Einzelheiten und Voraussetzungen des Eigentumserwerbs an den Containern aufklären. Nach allgemeinen Grundsätzen muss der Berater nur über die Umstände der Anlage aufklären (anlagegerechte Beratung), wenn es um Eigenschaften und Risiken geht, die für die Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind – oder es sein könnten (BGH, Urteil vom 27. September 2011, WM 2011, 2261; Urteil vom 18. Februar 2016, WM 2016, 504).
Eine Aufklärungspflicht besteht vor allem dann nicht, wenn der Anleger nicht aufklärungsbedürftig ist – weil ihm die Umstände bereits aus früheren Erfahrungen oder aus sonstigen Gründen bekannt sind (BGH, Urteil vom 27. September 2011, WM 2011, 2261).
Über das allgemeine abstrakte Risiko, dass die Geschäftsleitung der an der Anlage beteiligten Unternehmen Pflichten verletzen könnte, muss der Berater in der Regel nicht aufklären. Pflichtverletzungen sind regelmäßig kein spezifisches Risiko der Kapitalanlage. Zumindest solange diese nicht aus strukturellen Gründen als sehr naheliegend einzustufen sind (Fortführung von BGH, Urteil vom 9. Mai 2017, WM 2017,1252).
Eine Sachwertanlage wie das Container-Direktinvestment enthält keinen Fremdkapitalanteil. Das Totalverlustrisiko ist als solches nicht so hoch, als dass darüber gesondert aufgeklärt werden müsste. In der Regel verbleibt dem Anleger der Sachwert der Anlage (OLG München, Beschluss vom 13. Juli, WM 2020,1822). Eine nicht aufklärungsbedürftige Folge des Container-Direktinvestments ist, dass Container ihren Sachwert durch Abnutzung und Beschädigung verlieren können.
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