BGH: Kein Nachtrag für
Blind-Pool-Prospekt
bei Fristablauf einer Kaufoption

 

 

 

In einem aktuellen Beschluss führt der BGH aus, unter welchen Voraussetzungen ein Prospektnachtrag bei einem Blind-Pool zu erstellen ist und wann ein Informationsblatt Prospektqualität hat.

Sachverhalt:

Gegenstand des Verfahrens nach Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) war die Frage, ob der Verkaufsprospekt zu einer Blindpool-Beteiligung (Waldfonds) sowie das dazu gehörige „Informationsblatt“ fehlerhaft sind und ob die Musterbeklagten hierfür aufgrund Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten in Anspruch genommen werden können.

Der Prospekt enthielt Angaben zum Abschluss von Vorverträgen hinsichtlich des Erwerbs bestimmter Waldflächen. Ebenfalls enthalten waren Angaben zur Befristung der Optionsverträge. Tatsächlich wurden diese Waldflächen nicht bis zum Fristablauf erworben. Aus Klägersicht hätte hierzu ein Nachtrag zum Prospekt erstellt werden müssen.

Laut BGH stellte dies keine nachtragspflichtige Veränderung dar. Es lag kein Prospektfehler vor.

Gründe in der Zusammenfassung:

Zur Frage der Prospektqualität eines „Informationsblattes“

Grundsätzlich kann das Informationsblatt eine öffentliche Kapitalmarktinformation im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KapMuG darstellen. Voraussetzung ist eine Information über Tatsachen, Umstände, Kennzahlen und sonstige Unternehmensdaten, die für eine Vielzahl von Kapitalanlegern bestimmt ist und einen Emittenten von Wertpapieren oder Anbieter von sonstigen Vermögensanlagen betrifft. Der Umstand, dass das „Informationsblatt“ nicht in dem Katalog der Regelbeispiele in § 1 Abs.2 Satz 2 KapMuG aufgeführt wird, ist unerheblich.

Das „Informationsblatt“ hat aber nicht die Anforderungen an einen Prospekt im materiellen Sinne erfüllt, so dass seine Verwendung als Mittel der schriftlichen Aufklärung schon aus diesem Grund keine Haftung der Musterbeklagten zu 2 aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs.2 BGB zu begründen vermag.

Bezugspunkt der Haftungsgründe ist der Prospekt. Daran ändert auch die Rechtsprechung des II. Zivilsenats des BGH zur „Prospekthaftung im weiteren Sinne“ nichts.

Unter einem Prospekt in diesem Sinne wird eine marktbezogene schriftliche Erklärung verstanden, die für die Beurteilung der angebotenen Anlage erhebliche Angaben enthält oder den tatsächlichen Anschein eines solchen Inhalts erweckt und dabei tatsächlich oder zumindest den Eindruck vermittelt, eine das Publikum umfassend informierende  Beschreibung der Anlage zu sein.

Diese Voraussetzungen treffen auf das streitgegenständliche „Informationsblatt“ nicht zu. Dies habe nach seiner äußeren Aufmachung und inhaltlichen Darstellung, einen erkennbar werblichen und weniger informativen Charakter und erfüllt damit nicht die Anforderungen an das Vorliegen eines Prospekts im materiellen Sinne.

Die fehlende Relevanz für eine Anlageentscheidung werde durch den Hinweis hervorgehoben, dass es sich um eine „unverbindliche Vorabinformation“ handele und „maßgeblich […] ausschließlich der gültige Verkaufsprospekt“ sei. Dafür spreche auch die Aufforderung an den Leser, anzukreuzen, ob er die Emissionsunterlagen erhalten möchte. Dieser konnte nur unverbindlich eine Zeichnungssumme reservieren und seinen Beitritt zu der Fondsgesellschaft nicht allein aufgrund des „Informationsblatts“ erklären.

Damit werde deutlich zum Ausdruck gebracht, dass das „Informationsblatt“ gerade nicht sämtliche für die Anlageentscheidung erheblichen Informationen enthält, so dass mit dessen Verwendung gegenüber dem Anleger kein relevanter Vertrauenstatbestand (§ 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB) gesetzt werde.

Zum Erfordernis eines Prospektnachtrags bei einem Blind-Pool (hier: Waldfonds)

Im Prospekt wurde – wie für Blind-Pools typisch – nur geschildert, in welche Art von Anlageobjekten investiert werden soll. Einem aufmerksamen Leser konnte nicht entgehen, dass die Waldflächen noch nicht rechtsbeständig erworben wurden und dass auch noch nicht endgültig festgestand, dass sie tatsächlich erworben würden.

Zwar müssen gemäß § 11 Satz 1 VerkProspG aF Veränderungen, die seit der Gestattung der
Veröffentlichung des Verkaufsprospekts eingetreten sind, während der Dauer des öffentlichen Angebots unverzüglich in einem Nachtrag zum Verkaufsprospekt gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 VerkProspG aF veröffentlicht werden.

Die Nachtragspflicht erfasst aber nur solche Veränderungen, die aus der Sicht eines durchschnittlichen Anlegers von wesentlicher Bedeutung für die Beurteilung des Emittenten oder der Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1 VerkProspG sind, wenn und weil sie geeignet sind, den Anleger zu einer modifizierten Anlageentscheidung oder zu einem gänzlichen Absehen von einer Beteiligung zu veranlassen.

Bezugspunkt für die Anlageentscheidung ist die Eignung der Investitionskriterien sowie die Fähigkeit der Geschäftsführung der Fondsgesellschaft und ihrer Vertragspartner zur Verwirklichung des Fondskonzepts. Hierüber kann ein Anleger eine sachlich richtige und vollständige Aufklärung erwarten. Dementsprechend ist gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 6 VermVerkProspV aF im Verkaufsprospekt auch anzugeben, „welche“ Verträge der Emittent über die Anschaffung oder Herstellung des Anlageobjekts oder wesentlicher Teile davon geschlossen hat. Zu den befristeten Vorverträgen hat die Fondsgesellschaft im Prospekt für den Anleger nachvollziehbare Angaben gemacht.

Nach Fristablauf der vorvertraglich gesicherten Kaufoption hat sich in Bezug auf die Eignung der Investitionskriterien oder die Befähigung der Geschäftsführung der Fondsgesellschaft oder ihrer Vertragspartner zur Verwirklichung des Fondskonzepts aber keine Veränderung ergeben. Auch nach Fristablauf standen die Waldflächen als Anlageobjekt nach wie vor nicht konkret fest. Es verwirklichte sich lediglich der im Prospekt dargestellte Vorbehalt, unter dem der Erwerb der Waldflächen gestanden hat. Dies ergab keine relevante Abweichung in der Anlageobjektbeschreibung (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 und Satz 2 VermVerkProspV aF).

Das Blind-Pool-Konzept als solches blieb unverändert bestehen. Die Angabe zur Befristung des Ankaufsrechts war auch nach Fristablauf weiterhin sachlich richtig und vollständig. Die Nichtausübung des befristeten Ankaufsrechts stellte somit keine nachtragspflichtige Veränderung in Bezug auf die Beschreibung des Anlageobjekts im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 und Satz 2 VermVerkProspV aF dar.

BGH, Beschluss vom 14.11.2023 – Az.: XI ZB 2/21

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