17. Dezember 2016 | Das Oberlandesgericht Stuttgart konkretisiert Anforderungen an Haftung des Geschäftsführers einer Emittentin gegenüber stillen Gesellschaftern.
OLG Stuttgart zur persönlichen Haftung eines Geschäftsführers gegenüber Anlegern
Laut einem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart haftet der Geschäftsführer einer GmbH einem Anleger, der sich als stiller Gesellschafter an der GmbH beteiligt hat, nur in Ausnahmefällen persönlich auf Schadensersatz wegen unzureichender Auskünfte bei der Zeichnung der Kapitalanlage.
Sachverhalt: Der klagende Anleger hatte im Februar und Juni 2010 stille Einlagen an einer GmbH gezeichnet und eingezahlt, deren Geschäftsführer der Beklagte in der Zeit vom Juni 2009 bis 2011 war. Der Beklagte hatte zuvor den Kläger und dessen Mutter die Beteiligungsmöglichkeit in persönlichen Gesprächen vorgestellt und hat damit geworben, selbst in der GmbH investiert zu sein. Von der Emittentin der stillen Beteiligung erhielt der Kläger keine Zahlungen, worauf hin die Beteiligung gekündigt wurde und im März 2012 Mahnbescheide gegen die GmbH erwirkt worden und im März 2015 ein Urteil zugunsten des Klägers auf Zahlung von Euro 20.000,- erging. Nachdem über das Vermögen der Emittentin das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, machte der Kläger Ansprüche in Höhe der zur Insolvenztabelle angemeldete Forderungen auch gegen den ehemaligen Geschäftsführer geltend. Er stützte die Klage im Wesentlichen auf einen Anspruch wegen fehlerhafter Anlagevermittlung.
Rechtslage: Streitig ist hier die Frage, ob auch zwischen dem Geschäftsführer der Emittentin und dem Anleger ein Anlagevermittlungsvertrag zu Stande gekommen ist und der Geschäftsführer persönlich deshalb die für Anlagevermittler geltenden Pflichten hätte beachten müssen. Denn unstreitig hatte der Geschäftsführer bei dem Anlagegesprächen nicht auf das Totalverlustrisiko hingewiesen. In der ersten Instanz entschied das Landgericht zugunsten des klagenden Anlegers.
Urteil: Der Ansicht des Landgerichts trat das Oberlandesgericht entgegen. Denn das Landgericht hat den Anspruch des Anlegers auf Schadensersatz zu Unrecht bejaht. Nach Ansicht der OLG-Richter ist der Beklagte immer als Geschäftsführer für die GmbH aufgetreten, so dass ein Auskunfts- oder Vermittlungsvertrag auch nur mit der GmbH geschlossen werden konnte. Ersatzansprüche wegen Aufklärungspflichtverletzungen können sich deshalb auch nur gegen die Emittentin richten. Dies gilt auch für Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten. Denn die ausnahmsweise mögliche Haftung des Vertreters (hier des Geschäftsführers) erfordert nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes entweder die Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens oder ein unmittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse des Vertreters an dem Zustandekommen des Beteiligungsverhältnisses, so dass er wirtschaftlich betrachtet gleichsam in eigener Sache handelt.
Diese Voraussetzungen liegen nach Einschätzung des OLG Stuttgart nicht vor. Denn eine Eigenhaftung eines GmbH-Geschäftsführers unter dem Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Eigeninteresses kann weder bei dem Vorliegen einer wesentlichen Beteiligung an der GmbH noch bei der Stellung persönlicher Sicherheiten für die Schulden der GmbH angenommen werden. Vielmehr bedarf es noch „anderer qualifizierender Umstände“, damit ein unmittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse vorliegt. Selbst die persönliche Vereinnahmung von Provisionen sei nicht geeignet, ein solches Interesse zu begründen.
Auch hat der Geschäftsführer kein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen. Denn dies setzt voraus, dass er entweder eine zusätzliche, gerade von im persönlich ausgehenden Gewähr für die Erfüllung der in Aussicht gestellten Rendite bietet bzw. übernimmt. Oder dem Geschäftsführer wird ein typisiertes Vertrauen entgegengebracht, dass aus einer Garantenstellung herrührt. Dabei reicht der Eindruck, der Vertreter habe Vertrauen für und zu seinen Geschäftsherrn nicht. Vielmehr muss der Eindruck hervorgerufen werden, dass der Handelnde persönlich mit seiner eigenen Sachkunde die ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte selbst dann gewährleistet, wenn der Anleger dem Geschäftsherrn (also der Emittentin) nicht oder nur wenig vertraut oder sich sein Verhandlungsvertrauen als nicht gerechtfertigt erweist. Dies könnte vor allem bei persönlichen Beziehungen zwischen Geschäftsführer und Anleger der Fall sein.
Keine dieser Voraussetzungen lag vor. Auch wurden die Voraussetzungen für andere Haftungsansprüche nicht nachgewiesen, so dass die Klage durch das OLG abgewiesen wurde.
OLG Stuttgart Urteil vom 23. Februar 2016 – 1 U 97/15
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