15. September 2016 | Der BGH hat in einem aktuellen Urteil entschieden, in welchem Umfang ein Genussscheininhaber vom Emittenten Rechenschaftslegung verlangen kann – insbesondere, ob einzelne in die Rückstellungen eingestellte Beträge nachgewiesen werden müssen.
BGH zum Anspruch des Genussscheininhabers auf Rechenschaftslegung
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass ein Genussscheininhaber nach allgemeinen Grundsätzen Rechenschaftslegung verlangen kann, soweit er sie zur Plausibilisierung seines Anspruchs auf Zahlungen von Zinsen oder Dividenden benötigt.
Sachverhalt: Die Klägerin hatte in 2001 einen von der Aktiengesellschaft ausgegebenen Namens-Genussschein i.H.v. Euro 2 Mio. gezeichnet. Der Genussschein gewährte einen dem Gewinnanteil der Aktionäre und stillen Gesellschafter vorgehenden jährlichen Zinsanspruch von 7 % p.a. Die Genussschein-Bedingungen sahen vor, dass die Höhe der Zinszahlungen dadurch in der Art begrenzt ist, dass durch sie kein Bilanzverlust entstehen durfte. Für ausgefallene Zinszahlungen war ein Nachzahlungsanspruch vereinbart. Auch verminderte sich der Rückzahlungsanspruch jedes Genussscheininhabers, wenn die Emittentin einen Bilanzverlust auswies oder ihr Grundkapital zur Deckung von Verlusten herabgesetzt wurde. Bis Ende 2008 bediente die Emittentin den Zinsanspruch der Klägerin ordnungsgemäß. Für 2009 und 2010 wurden keine Zinsen bezahlt. Für das Jahr 2011 wurden Euro 0,02 bezahlt, da andernfalls ein Bilanzverlust entstanden wäre. Zum 1. Juli 2012 wurde an die Klägerin der Genussschein zum Nennwert zurückgezahlt. Die Klägerin war der Ansicht, dass sie einen Anspruch auf Rechenschaftslegung habe, weil sie in die Lage versetzt werden müsse prüfen zu können, ob die Voraussetzungen für die Kürzung der Zinszahlungen vorlagen.
Rechtslage: Da Inhaber von Genussrechten und Genussscheinen – in Abgrenzung zu stillen Beteiligten – keinen Anspruch gegen die Emittentin auf die Übermittlung des Jahresabschlusses und der Prüfung dessen Richtigkeit haben, war zu entscheiden, wie detailliert die Emittentin das Vorliegen des Zahlungsvorbehaltes nachweisen muss. Streitig war der Umfang der Rechenschaftspflicht, insbesondere die Frage, ob die Beklagte einzelne in die Rückstellungen eingestellte Beträge nachweisen muss.
Entscheidung: Zunächst verurteilte das erstinstanzliche Gericht die Beklagte zur Rechenschaft über die in den Jahren 2009 bis 2011 vorgenommenen Einzel- und Pauschalwertberichtigungen für den erhöhten Vorsorgebedarf sowie über vorgenommene Rückstellungen, soweit sie in der Bilanz unter sonstige Rückstellungen eingeflossen waren, zu legen, und wies den weitergehenden Auskunftsanspruch ab. Das OLG wies die Klage insgesamt ab.
Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin blieb vor dem BGH erfolglos. Denn nach Ansicht des BGH hat die Klägerin keinen Anspruch auf Rechenschaftslegung oder Auskunft über die in den Jahren 2009 bis 2011 vorgenommenen Einzel- und Pauschalwertberichtigungen für den erhöhten Vorsorgebedarf sowie über vorgenommene Rückstellungen, soweit sie in die Bilanz unter „sonstige Rückstellungen“ eingeflossen sind. Ein Genussscheininhaber kann dem Gericht zufolge nach allgemeinen Grundsätzen Rechenschaftslegung verlangen, soweit er sie zur Plausibilisierung seines Anspruchs benötigt. Wenn, wie hier, der Genussscheininhaber einen Anspruch auf eine festgelegte Zinsleistung hat, die entfällt, soweit dadurch ein Bilanzverlust entstehen würde, benötigt er zur Plausibilisierung eine Rechenschaftslegung nur zum Bilanzgewinn oder -verlust, wenn die Gesellschaft unter Berufung darauf keinen oder einen verminderten Zins bezahlt. Der Genussscheininhaber ist über das Bestehen oder den Umfang seines Anspruchs im Ungewissen, die Gesellschaft dagegen unschwer in der Lage, die erforderliche Rechenschaft zu legen. Diese Rechenschaftslegung besteht hier in der Mitteilung des Jahresabschlusses. Ein weitergehender, über die Mitteilung des Jahresabschlusses hinausgehender Auskunftsanspruch eines Genussscheininhabers folgt jedoch nicht ohne weiteres als vertraglicher Anspruch aus dem Genussrechtsverhältnis, sondern setzt den begründeten Verdacht einer Vertragspflichtverletzung voraus. Ein allgemeiner, auf § 242 BGB (Leistung nach Treu und Glauben) gestützter Auskunftsanspruch besteht nicht.
BGH Urteil vom 14. Juni 2016 (Az.: II ZR 121/15)
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