Crowdfunding jetzt auch für Wertpapieremissionen

 

 

 

BondGuide, Special Anleihen 2018, S.20f.
von Dr. Matthias Gündel und Christina Gündel

Der Entwurf der Bundesregierung für ein „Gesetz zur Ausübung von Optionen der EU-Prospektverordnung und zur Anpassung weiterer Finanzmarktgesetze“ eröffnet neue Beteiligungsmöglichkeiten im Wertpapier-Bereich für Genussscheine, Inhaberschuldverschreibungen und Aktien.

Bislang hatten es Crowdfunding-Plattformen schwer europaweit zu agieren. Der Grund: unterschiedliche Regularien in den 28 EU-Staaten. Mit der Schaffung einer Kapitalmarktunion bis Ende 2019 soll sich das jetzt ändern: Einheitliche Regeln sollen kleinen mittelständischen Unternehmen (KMU) die Finanzierung über die Kapitalmärkte in der Europäischen Union erleichtern.

Der Weg dahin war steinig. Wesentliche Hürde war wie so oft, die Frage der Prospektpflicht.

Erster Step: Die EU-Prospektverordnung und ihre Vorgaben.

Die Schwelle für die Prospektpflicht wurde bei öffentlichen Angeboten ab dem 21. Juli 2018 auf 1 Mio. Euro festgesetzt und zwei Optionen für die Mitgliedstaaten vorgesehen. Unterhalb der Schwelle von 1 Million Euro kann es national andere verhältnismäßige Offenlegungspflichten geben – jedoch keine Prospektpflicht mehr. Zudem erlaubt die EU-Prospektverordnung, öffentliche Angebote ohne Europäischen Pass bis 8 Mio. Euro national von der Prospektpflicht zu befreien.

Zweiter Step: Der Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums.

Das BMF will eine Ausnahme von der Prospektpflicht lediglich für Angebote in Deutschland mit einem Gesamtgegenwert von bis zu 1 Mio. Euro erlauben. Zusätzlich soll ein dreiseitiges Wertpapier-Informationsblatt veröffentlicht werden, dass vorab der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zur Billigung übermittelt werden muss.

Der Referentenentwurf hat heftige Kritik von Branchenverbänden und Marktteilnehmern hervorgerufen. Sie sehen deutsche Unternehmen gegenüber Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten der EU, wie z.B. Frankreich, Polen oder Italien, die von den Möglichkeiten der Prospektausnahmen deutlich umfangreicher Gebrauch machen, unangemessen benachteiligt. Das Kernziel der Kapitalmarktunion, KMU die Finanzierung in der Union zu erleichtern, werde nicht erreicht und die Chance verpasst, für Wertpapiere einen geordneten Crowdfunding-Markt zu schaffen. Kleine Wertpapieremittenten würden gegenüber Anbietern von Vermögensanlagen erheblich benachteiligt – im Vermögensanlagengesetz liege die Schwelle für die Prospektpflicht bei sog. Schwarmfinanzierungen bei 2,5 Mio. Euro.

Dritter Step: Der Gesetzentwurf der Bundesregierung.

Mit dem „Gesetzentwurf zur Ausübung von Optionen der EU-Prospektverordnung und zur Anpassung weiterer Finanzmarktgesetze“ reagierte die Bundesregierung Anfang April auf Kritikpunkte und macht nun den Weg frei, auf EU-Ebene vorgesehene Möglichkeiten und Vereinfachungen des Marktzugangs für KMU auszuschöpfen.

Wesentliche Änderungen des Gesetzentwurfs im Überblick:

Anpassungen des Wertpapierprospektgesetzes (WpPG). Anders als noch im Referentenentwurf, sind laut Gesetzentwurf nun Wertpapierangebote mit einem Volumen von bis zu 8 Mio. Euro prospektfrei möglich. Damit sollen Crowdfunding-Angebote auch bei der Ausgabe von Wertpapieren wie z.B. Anleihen, Genussscheinen und Aktien erleichtert werden. Auch könnten dadurch Initial Coin Offerings (ICO) auf Basis sog. „Wertpapier-Token“ künftig im prospektrechtlich regulierten Bereich kostengünstig abgewickelt werden.

Gleichzeitig knüpft der Gesetzentwurf die Zulässigkeit von inländischen öffentlichen Wertpapierangeboten mit einem Volumen von weniger als 8 Mio. Euro an die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen. Konkret bedeutet das: Für Emissionen, die sich im Bereich der Schwellen von 100.000 Euro bis weniger als 8 Mio. Euro bewegen, wird – angelehnt an das Vermögensanlagen-Informationsblatt nach Vorgaben des Vermögensanlagengesetzes (VermAnlG) – ein Wertpapier-Informationsblatt eingeführt. Das Wertpapier-Informationsblatt soll (potentiellen) Anlegern als Informationsquelle für ihre Anlageentscheidung und damit dem Anlegerschutz dienen.

Dazu enthält die Änderung des WpPG unter anderem Vorgaben zu Inhalt und Umfang des Wertpapier-Informationsblatts, zur Reihenfolge der erforderlichen Angaben, um die Vergleichbarkeit verschiedener Wertpapierangebote zu verbessern, zur Veröffentlichung des Wertpapier-Informationsblatts und zu seiner Aktualisierung sowie zur mit dem Wertpapier-Informationsblatt verbundenen Haftung des Anbieters.

Soweit das Angebotsvolumen im Bereich von 1 Mio. Euro bis 8 Mio. Euro liegt, gibt es zusätzlich noch Beschränkungen hinsichtlich der angesprochenen Anlegerkreise. Die Einstufung der Anleger, die für die Anleger maximal zulässigen Zeichnungsbeträge und die vom Anleger beizubringenden Einkommensnachweise orientieren sich dabei ebenfalls am Vermögensanlagenrecht und den für Schwarmfinanzierungen nach VermAnlG geltenden Grenzen.

Es bleibt bei den Erleichterungen für bereits am Markt zugelassene Kreditinstitute und Emittenten im WpPG: CRR-Kreditinstitute und Emittenten, deren Aktien bereits zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, müssen weiterhin keinen Prospekt und auch kein Wertpapier-Informationsblatt für öffentliche Wertpapierangebote veröffentlichen, wenn der Verkaufspreis weniger als 5 Mio. Euro beträgt.

Anpassungen in anderen Gesetzen

Im VermAnlG gibt es Anpassungen der Regelungen zum Vermögensanlagen-Informationsblatt, zu seiner Veröffentlichung und der Bußgeldtatbestände. Im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) wird klargestellt, dass neben einem Wertpapier-Informationsblatt nicht zusätzlich ein Produktinformationsblatt erstellt werden muss.

Fazit

Der Gesetzentwurf schöpft die Optionen der EU-Prospektverordnung voll aus und eröffnet mit der Zulassung prospektfreier Emissionen von Wertpapieren bis zu einem Schwellenwert von 8 Mio. Euro für KMU einfachere Möglichkeiten, sich über den Kapitalmarkt zu finanzieren. Im EU-Vergleich wird die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen erheblich gestärkt. Auf der anderen Seite ist die Einführung des Wertpapier-Informationsblattes für öffentliche Angebote von Wertpapieren oberhalb von 100.000 Euro und unterhalb der Prospektschwelle ein wichtiges Instrument in Hinblick auf die nötige Transparenz gegenüber dem Anleger.

 

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