Der Bundesgerichtshof hat in einer aktuellen Entscheidung ausgeführt, wann sich ein Unternehmer auf die Gesetzlichkeitsfiktion der Musterwiderrufsbelehrung berufen kann. Auf einen „Musterschutz“ kann sich der Unternehmer bei Fernabsatzverträgen nur dann berufen, wenn er das Muster in Anlage 1 zu Art. 246 a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB unverändert verwendet und richtig ausfüllt.
Unternehmer haben zwei Möglichkeiten, ihre für den Beginn der Widerrufsfrist gemäß § 356 Abs. 3 Satz 1 BGB maßgebliche Informationspflicht gemäß Art. 246 a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB zu erfüllen. Entweder sie verwenden die Musterwiderrufbelehrung, die in Anlage 1 zu Art. 246 a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB vorgesehen ist. Dann kommt ihm die sogenannte „Gesetzlichkeitsfiktion“ bzw. der „Musterschutz“ dieser Bestimmung zugute. Mögliche Fehler des Gesetzgebers bei der Fassung der Musterbelehrung gehen dann zu Lasten des Verbrauchers.
Die Schutzwirkung der Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 246 a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB kommt aber nur dem Unternehmer zugute, der die Muster-Widerrufsbelehrung nach Anlage 1 unverändert verwendet und richtig ausfüllt.
Daneben kann der Unternehmer seine Informationspflicht auch durch eine „eigene“ Belehrung erfüllen, die von der Musterbelehrung abweicht, aber inhaltlich den in § 356 Abs. 3 Satz 1 BGB, Art. 246 a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB geregelten Anforderungen genügt. Verwendet der Unternehmer eine „eigene“ Belehrung, so trägt er selbst das Risiko, dass seine Informationen den allgemeinen Anforderungen an eine korrekte Belehrung genügen.
In dem zur Entscheidung stehenden Fall hatte ein Unternehmer die Musterwiderrufsbelehrung abgeändert. Diese wies einen vom Muster nicht vorgegebenen Text auf und enthielt nicht den im Muster vorgesehenen Hinweis, dass die im Falle eines Widerrufs vorzunehmende Rückzahlung aller vom Kunden erhaltenen Zahlungen auch die dort näher bestimmten Lieferkosten umfasst.
Der Bundesgerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass sich der Unternehmer nicht auf die Schutzwirkung der Musterbelehrung berufen kann – mit der Konsequenz, dass das Widerrufsrecht auf Grund der fehlerhaften Belehrung spätestens 12 Monate und 14 Tage nach dem in § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB genannten Zeitpunkt des Vertragsschlusses (§ 356 Abs. 3 Satz 2 BGB) erlischt.
BGH Entscheidung vom 01.12.2022, I ZR 28/22, ZOP 2023, 686
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