Bundesgerichtshof:

     

     

    28. November 2016 | Das Fehlen von für Anlageentscheidungen erheblichen Tatsachen in Emissionsprospekten stellt nicht zwangsläufig eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung dar.

    BGH zur sittenwidrigen Schädigung durch Prospektverantwortliche

    Laut Bundesgerichtshof (BGH) ist das Unterlassen einer für die Anlageentscheidung eines Privatanlegers erheblichen Information in einem Emissionsprospekt für sich genommen nicht sittenwidrig.

    Sachverhalt: Der klagende Anleger nahm eine Aktiengesellschaft – Initiatorin und Mitherausgeberin eines im Dezember 1994 für einen Immobilienfonds herausgegebenen Emissionsprospektes – wegen Schadensersatz in Anspruch. Denn auf dem Grundstück, auf dem der Fonds ein Mehrfamilienhaus errichten wollte, gab es erhebliche Altlasten. Da für Teile des Fondsgrundstücks bereits seit 1989 Altlastverdacht bestand, diese Tatsache im Altlastenverdachtskataster geführt wurde und im Emissionsprospekt kein Hinweis auf den Altlastverdacht enthalten war, begehrte der Kläger Rückzahlung seiner im Dezember 1994 gezeichneten Einlagen abzüglich der erhaltenen Ausschüttung sowie Zahlung entgangener Zinsvorteile. Denn die Sachbearbeiter der Beklagten hatten unstreitig Kenntnis von der Altlastenproblematik. Ob dagegen auch der damalige Vorstand der Beklagten von dem Eintrag im Altlastenverdachtsregister wusste, ist nicht geklärt.

    Rechtslage: Soweit Ansprüche gegen Prospektverantwortliche wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung geltend gemacht werden, hat eine Klage nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn nachgewiesen werden kann, dass Prospektverantwortliche sittenwidrig gehandelt haben. Hier war zu entscheiden, ob die Kenntnis des Sachbearbeiters von dem Altlastverdacht ausreichend ist oder ob der Vorstand der Beklagten auch Kenntnis haben musste. Die Vorinstanz gab dem Kläger Recht. Denn für die Annahme einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung sei es ausreichend, wenn Sachbearbeiter der Beklagten Kenntnis von dem Verdacht hatten. Denn die Beklagte müsse sich auch das Wissen ihrer Mitarbeiter zurechnen lassen.

    Urteil: Der Ansicht des Berufungsgerichts trat der BGH entgegen. Denn die Prospektverantwortliche ist eine juristische Person. Diese hat nur dann für den Schaden einzustehen, wenn ihr „verfassungsmäßig berufener Vertreter“ durch eine unerlaubte Handlung dem Dritten einen Schaden zugefügt hat. Für den Nachweis einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch den damaligen Vorstand ist deshalb erforderlich, dass dieser vorsätzlich sittenwidrig gehandelt hat. Hierfür ist eine bewusste Täuschung, z.B. durch bewusstes Verschweigen des für eine Anlageentscheidung erheblichen Altlastenverdachts erforderlich. Da diese Frage von der Vorinstanz nicht als entscheidungserheblich eingestuft und damit auch nicht geklärt worden ist, wurde die Streitigkeit zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückgewiesen.

    Bundesgerichtshof (BGH) Urteil vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15

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