14. April 2017 | Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 18. Januar 2017 die Beschwerde eines Finanzdienstleisters mit Zulassung nach § 32 KWG wegen eines Sonderzahlungsbescheids der Entschädigungseinrichtung für Wertpapierhandelsunternehmen (EdW) zurückgewiesen.
Sachverhalt: Die seit 1998 als zugelassenes Finanzdienstleistungsinstitut tätige Phoenix Kapitaldienst GmbH verwaltete bis zu Ihrer Insolvenz in 2005 nach eigenen Angaben Gelder von ca. 28.000 Kunden in Höhe insgesamt ca. Euro 750 Mio. Das Hauptprodukt hieß Phoenix Managed Account (PMA) und wurde mit der Aussicht auf eine konstante Jahresrendite von 10% vorwiegend über Vermittler mit einer Erlaubnis § 34c Absatz 1 Nr. 3 GewO a.F. (heute § 34f Absatz 1 Nr. 1 GewO) vertrieben, obwohl es sich nicht um einen zum Vertrieb im Inland zugelassenen offenen Investmentfonds handelte. Die Kundengelder wurden entgegen der Regelungen des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) auf Sammelkonten eingezahlt und abgerechnet. Diese Praxis untersagte die BaFin bereits in 2000, jedoch ignorierte das Unternehmen diese Verfügung. Nach dem Tod des Unternehmensgründers in 2004 bei einem Flugzeugunfall stellte sich heraus, dass die Anlagestrategie bereits seit den Anfangsjahren nur zu Verlusten führte, fiktive Konten geführt wurden und die Auszahlungen an Altkunden aus den Einzahlungen von Neukunden bezahlt wurden. Infolge der Insolvenz stellt die BaFin in 2015 den Entschädigungsfall fest, woraufhin die EdW Entschädigungen in Höhe von ca. Euro 238 Mio. an die Anleger zahlen musste. Mangels eines entsprechend hohen Vermögens für die Leistung der Entschädigung bei der EdW, nahm diese einen Kredit beim Bund auf. Die der EdW angeschlossenen Finanzdienstleistungsinstitute müssen durch Sonderzahlungen die Rückführung des Kredits finanziell sicherstellen. Hierzu haben sie neben dem normalen Jahresbeitrag jährlich Sonderzahlungen an die EdW in Höhe von bis zu 50% ihres Jahresüberschusses zu leisten. Fraglich war, ob diese Sonderzahlungen rechtmäßig sind.
Rechtslage: Bei allen Streitigkeiten zwischen EdW und den Finanzdienstleistungsinstituten in Zusammenhang mit der Finanzierung der Anlegerentschädigung steht die Frage im Mittelpunkt, ob die Geschäftspraxis der Phoenix Kapitaldienst GmbH überhaupt zu einem Entschädigungsfall hätte führen dürfen. Gestritten wird dabei um die Frage, ob das Geschäftsmodell einem Investmentfonds gleicht oder ob hier das Finanzkommissionsgeschäft (Handel mit Finanzinstrumenten im Wege der verdeckten Stellvertretung) erbracht worden ist. Wenn es sich um einen Investmentfonds gehandelt hätte, hätte keine Entschädigung durch die EdW stattfinden müssen und den Instituten wäre die Aufbringung der Mittel für die Rückzahlung des Kredites erspart geblieben. Der Widerspruch und die Klage des Institutsb gegen den Sonderzahlungsbescheid blieben erfolglos. Nachdem das Oberverwaltungsgericht die Berufung gegen das abweisende Urteil zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen hat, legte das Institut Nichtzulassungsbeschwerde beim BVerwG ein.
Entscheidung: Das BVerwG wies die Beschwerde vorwiegend aus formalen Gründen zurück. Jedoch führte das Gericht in der Begründung ausführlich aus, warum mit dem PMA das Finanzkommissionsgeschäft und nicht das Investmentgeschäft betrieben worden sei. Das BVerwG stellte dabei ausschließlich auf die vertraglichen Regelungen ab und nicht auf die tatsächlich durchgeführten Geschäfte. Da die Vertragsunterlagen einige wesentliche – wenn auch nicht alle – Merkmale eines Finanzkommissionsgeschäftes aufwiesen, sei das Finanzkommissionsgeschäft und nicht das Investmentgeschäft betrieben worden. Dass die Phoenix Kapitaldienst die Gelder entgegen der Bestimmungen des WpHG vermischt hat und dies auch noch mit Zustimmung der Kunden, ist nach Ansicht des Gerichts unbeachtlich. Ausdrücklich stellt das BVerwG fest, dass die „rechtswidrige faktische Kollektivierung der Anlage kein taugliches Indiz für die Einordnung des Geschäfts darstellen kann.“ Folge dieser Entscheidung ist, dass alle anderen, sich rechtmäßig verhaltenden Institute für die strafbaren und aufsichtsrechtswidrigen Praktiken eines anderen Institutes haften. Allerdings weist der Beschluss auch einen Ausweg aus den ansonsten grenzenlosen Haftungsrisiken der Solidargemeinschaft der Mitglieder der Entschädigungseinrichtung für künftige Entschädigungsfälle auf: Die Bestandskraft der Entscheidung der BaFin zum Vorliegen des Entschädigungsfalls muss vermieden werden.
Beschluss des 8. Senats des BVerwG vom 18. Januar 2017 – BVerwG 8 B 16.16
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