LG Düsseldorf zur Abgrenzung des Anlagevermittlers vom Anlageberater

 

 

07. Juni 2017 | Nach Ansicht des Landgerichts Düsseldorf wird ein Anlageinteressent einen Anlageberater im Allgemeinen dann hinzuziehen, wenn er selbst nicht über ausreichende wirtschaftliche Kenntnisse und genügenden Überblick über die wirtschaftlichen Zusammenhänge der Beteiligung verfügt. Ist der Anleger hingegen erfahren, dann kann er durch die rechtzeitige Übergabe eines fehlerfreien Prospektes ordnungsgemäß aufgeklärt werden.

Sachverhalt: Der klagende Anleger verlangte von einer freien Vertriebsgesellschaft und der Gründungskommanditistin eines KG-Fonds Schadensersatz im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an einem Schifffonds, an dem er sich in 2006 beteiligte. Der Anleger hatte in der Zeit zwischen 1996 und 2006 bereits Anteile von mindestens 15 anderen Schiff- und Medienfonds erworben. Die Vertriebsgesellschaft übersandte dem Kläger Anfang 2006 den für die streitgegenständliche Fondsbeteiligung maßgeblichen Prospekt, den er nach eigenen Angaben jedenfalls „grob“ überflog und Anfang Februar 2006 eine Pflichteinlage von Euro 20.000,- zzgl. Agio zeichnete. Er behauptete u.a., dass er vor der Zeichnung ein 5-minütiges Beratungsgespräch mit dem Geschäftsführer der Vertriebsgesellschaft über die Beteiligung geführt habe, nachdem dieser an den Kläger herangetreten sei. In dem Gespräch sei er weder anleger- noch objektgerecht beraten worden. Auch habe er keine „vertieften“ Vorerfahrungen bzgl. geschlossener Schiffsfonds gehabt. Der Geschäftsführer der Beklagten habe unzutreffende Anpreisungen getätigt und vom Prospekt abweichende, beschönigende Angaben gemacht. Hinsichtlich der Risiken habe er den Kläger nicht aufgeklärt. Schließlich habe der Prospekt weniger als eine Woche vor Zeichnung vorgelegen.
Die beiden Beklagten sind der Ansicht, dass der Kläger ein erfahrener Anleger sei, der durch den rechtzeitig übergebenen und fehlerfreien Prospekt ausreichend über die angestrebte Beteiligung informiert worden sei und den Zeitpunkt der Zeichnung selbst gewählt habe. Es habe gar kein Beratungsgespräch stattgefunden, da die Vertriebsgesellschaft solche generell nicht führe und nur die Zeichnungsmaterialen an die Anleger übersende. Insofern seien auch keine falschen Angaben zu Risiken oder falsche Anpreisungen getätigt worden. Schließlich machte der Anleger noch eine Vielzahl vermeintlicher Prospektfehler geltend.

Rechtslage: Entscheidend für einen Schadensersatzanspruch von Anlegern ist die Frage, ob der Vertriebsmitarbeiter tatsächlich als Vermittler oder als Berater tätig geworden ist. Denn einen Berater treffen viel weitergehende Aufklärungs- und Hinweispflichten als einen Vermittler. Laut BGH-Rechtsprechung muss ein unabhängiger individueller Berater, dem weitreichendes persönliches Vertrauen entgegengebracht wird, besonders differenziert und fundiert beraten. Dagegen schuldet der Anlagevermittler nur Auskunft. Der Vermittler ist zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände verpflichtet, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind.

Urteil: Das Landgericht wies die Klage ab, da dem Kläger gegen die Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz zusteht. Denn entgegen der Darstellung des Klägers wurde die Vertriebsgesellschaft nicht als Anlageberaterin, sondern nur als Vermittlerin tätig. Dem LG Düsseldorf zufolge wird ein Zeichnungsinteressent einen Anlageberater im Allgemeinen nur dann hinzuziehen, wenn er selbst keine ausreichenden wirtschaftlichen Kenntnisse und keinen genügenden Überblick über wirtschaftliche Zusammenhänge hat. Denn dann erwartet er nicht nur die Mitteilung von Tatsachen, sondern insbesondere deren fachkundige Bewertung und Beurteilung. Auch wünscht der unerfahrene Anleger häufig eine auf seine persönlichen Verhältnisse zugeschnittene Beratung, die er auch besonders honoriert. Der klagende Anleger hat aber gerade nicht bewiesen, dass bei ihm aufgrund Unerfahrenheit Beratungsbedarf bestand und dass überhaupt ein Beratungsgespräch stattgefunden hat. Zudem erfolgte kein Vortrag dazu, ob das Gespräch in einem Geschäftslokal, wie etwa dem Geschäftssitz der Vertriebsgesellschaft oder telefonisch stattgefunden habe. Stattdessen räumte er aber ein, dass ihm tatsächlich der Prospekt postalisch zugeschickt worden sei. Da der Prospekt fehlerfrei war, wie das Gericht ausführlich begründete, konnten mit der vorherigen Prospektbereitstellung sogar die Informationspflichten eine Anlageberaters erfüllt werden. Demnach hätte die Vertriebsgesellschaft selbst bei dem vom Anleger behaupteten aber nicht bewiesenen Beratungsgespräch ihre Aufklärungspflichten durch die Bereitstellung des fehlerfreien Prospektes vollständig erfüllt.

LG Düsseldorf Urteil vom 03. Februar 2017 – 10 O 239/15

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