LG München zur Beraterhaftung bei vermeintlich fehlender Aufklärung über Anwendbarkeit des § 30 GmbHG auf Fonds in der Form der GmbH & Co. KG

 

 

27. Februar 2015 | LG München zur Aufklärung über Innenhaftung bei geschlossenen Fonds: Anlageberater haften, wenn im Verkaufsprospekt für Kommanditanteile potenzielle Anleger nicht über eine sie möglicherweise treffende Haftung nach den Kapitalerhaltungsregeln für GmbHs aufgeklärt werden und auch der Berater nicht auf dieses Risiko hinweist.

In einer aktuellen Entscheidung des Landgerichts München wird eine Haftung von Anlageberatern angenommen, wenn in einem Verkaufsprospekt für Kommanditanteile potenziellen Anleger nicht über eine Haftung nach den Kapitalerhaltungsregelungen für GmbH´s (§§ 30, 31 GmbH-Gesetz) aufgeklärt werden und auch der Berater nicht auf dieses Risiko hinweist.

Sachverhalt: Der Anleger zeichnete bei einer Bank einen Kommanditanteil an einem Schifffonds in der Rechtsform der GmbH & Co. KG. Die GmbH selbst leistete keine Einlage bei dem Fonds. Die im Handelsregister einzutragende Hafteinlage des Anlegers betrug 20% der gezeichneten Pflichteinlage. Anleger konnten laut Gesellschaftsvertrag selbst dann noch Entnahmen tätigen, wenn diese nicht nur zur vollständigen Rückführung der Einlagen, sondern sogar zu einem negativen Kapitalkonto führten. Selbst bei negativem Kapitalkonto waren Anleger nicht zum Ausgleich verpflichtet.

Der dem Angebot zugrunde liegende Verkaufsprospekt, den die beklagte Bank zur Anlegergewinnung benutzte, enthält keinen Hinweis darauf, dass nach BGH-Rechtsprechung unter bestimmten Voraussetzungen eine Haftung von Kommanditisten bei einer GmbH & Co. KG auch für die Kapitalaufbringung bei der Komplementärs-GmbH besteht. Nach dieser Rechtsprechung muss ein Kommanditist (hier Anleger) alle erhaltenen Auszahlungen zurückzahlen, wenn infolge von Zahlungen an ihn die Komplementärin materiell unterkapitalisiert ist. Darauf wies die Beklagte bei den Beratungsgesprächen nicht hin.

Rechtslage: Berater sind, wenn sie Prospekte zur Anlegergewinnung einsetzen, dazu verpflichtet, die Angaben im Prospekt zu prüfen. Daher kann die Nutzung fehlerhafter Verkaufsprospekte zu Schadensersatzansprüchen von Anlegern gegen Berater führen, wenn die erforderliche Aufklärung des Anlegers nicht auf andere Art und Weise erfolgt. Im entschiedenen Fall war streitig, ob Anleger einer Kommanditgesellschaft in einem Verkaufsprospekt über alle möglichen Haftungstatbestände – also auch eine vom BGH anerkannte Haftung nach §§ 30, 31 GmbHG (sog. Kapitalerhaltungsgrundsätze) – aufzuklären sind. Diese Frage betrifft die Innenhaftung, d.h. ob der Kommanditist verpflichtet ist, erhaltene Entnahmen oder Ausschüttungen an den Fonds zurückzuzahlen.

Urteil: Das Landgericht München verurteilte die Beklagte in erster Instanz zu Schadensersatz, weil sie zur Anlegergewinnung nur den nach Ansicht des Gerichts fehlerhaften Prospekt einsetzte und weitergehende Risikohinweise unterließ. Denn Anleger seien auch über die Möglichkeit der Rückzahlung von Entnahmen und Ausschüttungen aufgrund der anlogen Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG hinzuweisen. Die Regeln des GmbHG sollen nach Ansicht des Gerichts auch dann analog gelten, wenn in der GmbH & Co. KG ein Kommanditist, der nicht gleichzeitig GmbH-Gesellschafter ist, aus dem Vermögen der Fondsgesellschaft Zahlungen ohne gleichwertige Gegenleistung erhält. Wird durch die Zahlung das Stammkapital der Komplementär-GmbH angegriffen oder ist die GmbH bereits überschuldet, muss auch der Nur-Kommanditist – also der Anleger – die Zahlung in analoger Anwendung der §§ 30f. GmbHG an die Fondsgesellschaft zurückgewähren. Dies sei vorliegend nicht nur eine theoretische Möglichkeit gewesen. Denn die Anleger hätten sogar bei negativem Kapitalkonto noch Entnahmen vornehmen können und mussten negative Kapitalkonten nicht ausgleichen. Die Anleger konnten somit Zahlungen ohne Gegenleistung erhalten und diese Zahlungen erfolgten immer zu Lasten der Komplementärin, die mit ihrem gesamten Vermögen unbeschränkt für die Fondsgesellschaft haftet.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig – insoweit bleibt abzuwarten, ob es im Rahmen der zu erwartenden Berufung bestätigt wird.

Landgericht (LG) München I, Urteil vom 19.12.2014 (Az. 3 O 7105/14)

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