OLG Dresden zur AGB-Festigkeit von einfachen Nachrangklauseln und der Anwendbarkeit des Schuldverschreibungsgesetzes bei Genussrechten

Rechtsprechung, 20. Oktober 2017 | In einem aktuellen Urteil des Oberlandesgerichts Dresden haben die Richter klargestellt, dass einfache Nachrangklauseln Genussrechts-Inhaber nicht ungemessen benachteiligen und die Bestimmungen des Schuldverschreibungsgesetzes nicht auf unverbriefte Genussrechte anwendbar sind.

Sachverhalt: Die klagenden Genussrechtsinhaber begehren festzustellen, dass ihre Forderungen aus Genussrechten im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Emittentin nicht nachrangig sind, sie also wie die Forderungen von nicht nachrangigen Gläubigern befriedigt werden. Die Emittentin hat zuvor bis zu Eröffnung des Insolvenzverfahrens bundesweit in großvolumigen Umfang neben den Genussrechten auch Orderschuldverschreibungen ausgegeben. Die Genussrechtsbedingungen sehen u.a. vor, dass das Genussrechtskapital sowohl während der Insolvenz und Liquidation nach Befriedigung aller nicht nachrangigen Gläubiger der Emittentin zurückgezahlt wird und Forderungen aus den Genussrechten im Übrigen auch im Rang zurücktreten.

Rechtslage: Strittig ist hier, ob die Nachrangklausel, die zwischen Genussrechtskapital und Forderungen aus Genussrechten unterscheidet, für die Anleger überraschend war und ob die Klausel die Anleger unangemessen benachteiligt und intransparent ist. Denn dann würden die Bedingungen gegen die Anforderungen, die an die Wirksamkeit von allgemeinen Geschäftsbedingungen gestellt werden, verstoßen. Wäre dies der Fall, wäre die Klausel aufgrund Verstoßes gegen die verbraucherschützenden Regelungen unwirksam und damit würden die Genussrechts-Inhaber bei der Verteilung des Vermögens des insolventen Emittentin nicht nachrangig befriedigt werden. Auch wurde darum gestritten, ob die Genussrechts-Inhaber, so wie die Inhaber der Orderschuldverschreibungen für die Wahrung ihrer Interessen im Insolvenzverfahren nach den Bestimmungen des Schuldverschreibungsgesetzes (SchVG) einen gemeinsamen Gläubigervertreter wählen können. Denn die Frage, ob das Schuldverschreibungsgesetz auch auf Genussrechte, die nicht in einer Urkunde – dem Genussschein – verbrieft sind, anwendbar ist, wurde bisher noch nicht höchstrichterlich entschieden.

Urteil: Das OLG Dresden urteilte zunächst, dass das SchVG weder direkt noch analog auf unverbriefte Genussrechte anwendbar ist. Denn das wäre nur der Fall, wenn das SchVG eine erkennbare Regelungslücke enthielte. Eine solche ist aber nicht erkennbar. Auch sind Genussrechte nicht mit Schuldverschreibungen vergleichbar, so dass kein Bedürfnis besteht, die Inhaber von unverbrieften Genussrechten so zu schützen wie die Inhaber von wertpapierverbrieften Rechten.

Auch stellte das Gericht die AGB-Festigkeit der Nachrangklausel fest und ging der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) folgend davon aus, dass Genussrechts-Bedingungen allgemeine Geschäftsbedingungen sind. Die gerügte Nachrangklausel ist bei Genussrechten nicht überraschend. Denn Nachrangklauseln sind bei Genussrechten nicht ungewöhnlich. Und da Genussrechte als risikoreiche Anlageform gelten, konnten die Genussrechts-Inhaber damit rechnen, dass dem relativ hohen Renditeversprechen von 13,50% ein erhöhtes Risiko in Form der nachrangigen Befriedigung im Insolvenzfall gegenübersteht. Ebenso werden die Anleger nicht unangemessen benachteiligt. Denn die nachrangige Befriedigung im Insolvenzfall stellt einen Ausgleich für das hohe Renditeversprechen dar. Ausführlich begründete das Gericht auch, dass kein Verstoß gegen das Transparenzgebot vorliegt, die Klausel also nicht widersprüchlich ist. In diesem Zusammenhang wurde die Reichweite der Nachrangklausel – während der Insolvenz oder Liquidation und in den übrigen Anwendungsfällen -anhand des Wortlauts der Klausel und den Regelungen der Insolvenzordnung ausgelegt.

Die Revision gegen das Urteil wurde zugelassen.

OLG Dresden, Urteil vom 12. April 2017 (13 U 917/16) (Vorinstanzen: LG Dresden, OLG Dresden, LG Dresden)

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