31. Oktober 2017 | Laut einem rechtskräftigen Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. liegt eine Vermögensverwaltung nicht vor, wenn der Anleger selbständig eine Anlageentscheidung trifft, indem er den Vermögensverwalter anweist, ein bestimmtes Produkt zu erwerben. Und falls der Anleger aus emotionalen Gründen bewusst gegen eigene konkrete und erhebliche Bedenken – und damit sehenden Auges gegen seine Anlageziele – handelt, kann dieser Umstand dem Verwalter nicht angelastet werden.
Sachverhalt: Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung von Pflichten aus einem Vermögensverwaltungsvertrag im Zusammenhang mit der Zeichnung einer Unternehmensanleihe zu einem Kurswert von Euro 40 000 € geltend, deren Emittentin mittlerweile insolvent ist. Der Kläger behauptete, er sei nicht ausreichend über die Risiken der nach seinem Anlageprofil in Betracht kommenden Anlagen aufgeklärt worden und die tatsächlich gewählte Unternehmensanleihe habe nicht seiner Risikoklasse und nicht seiner defensiven Anlagestrategie entsprochen. Auch habe die Beklagte ihn nicht über bestehende Interessenkonflikte aufgeklärt, die daraus resultierten, dass diese gleichzeitig Kreditgeberin der Emittentin der Unternehmensanleihe war. Diesen Behauptungen trat die Beklagte entgegen. Insbesondere habe der Kläger dem Erwerb der streitgegenständlichen Anleihe ausdrücklich und im Rahmen der Vermögensverwaltung überobligatorisch zugestimmt bzw. diesen sogar angeregt. Schließlich räumte der Kläger während des Prozesses ein, dass er die Anleihe gekauft habe, um den Druck von dem für den Vermögensverwalter tätigen Mitarbeiter zu nehmen.
Rechtslage: Fraglich war zunächst, ob bei dem hier in Rede stehenden Fall eine Pflicht der Beklagten zur Erläuterung der mit der Anleihe verbundenen Risiken sowie zur Offenlegung von Interessenkonflikten des Vermögensverwalters bestand und falls ja, ob die Beklagte diese Pflicht erfüllt habe. Ebenso war zu entscheiden, ob eine Verletzung von Pflichten aus dem Vermögensverwaltungsvertrag vorliegt, wenn der Anleger den Vermögensverwalter zum Erwerb eines bestimmten Finanzinstrumentes anweist, der Vermögensverwalter dieser Weisung folgt, obwohl das Finanzinstrument zur Erreichung der Anlageziele nicht geeignet sind. Das Landgericht Frankfurt a.M. verneinte Pflichtverletzungen aus dem Vermögensverwaltungsvertrag und wies die Klage ab.
Urteil: Das OLG Frankfurt a.M. bestätigte das Urteil der ersten Instanz. Das Landgericht habe die Klage zu Recht mit der zutreffenden Begründung abgewiesen, dass dem Kläger kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zusteht. Denn die Klageabweisung kann bereits darauf gegründet werden, dass nicht die Beklagte im Rahmen der Vermögensverwaltung für den Kunden selbständig eine Anlageentscheidung getroffen hat, sondern vielmehr der Kläger selbst entschieden hat, die Anleihe zu erwerben. Hinzu kommt der ganz erhebliche Gesichtspunkt, dass der Kläger diese Anlageentscheidung letztlich aus „sachfremden“, nämlich emotionalen Motiven getroffen und dabei seine sachlichen Bedenken etwa im Hinblick auf sein entgegenstehendes Anlageprofil bewusst außer Acht gelassen hat. Damit liegt schon nach eigenem Vorbringen des Klägers im Hinblick auf den Erwerb der Anleihe keine Maßnahme der Beklagten im Rahmen der Vermögensverwaltung für den Kläger vor. Vielmehr habe der Kläger eine eigenständige Anlageentscheidung aufgrund des für ihn tragenden emotionalen Anlagemotivs „Mitleid mit dem Berater“ getroffen. Darüber hinaus bestätigte das OLG, dass keine Pflicht der Beklagten bestand, den Kläger auf ihr eigenes Kreditengagement bei der Emittentin hinzuweisen, weil daraus per se noch keine Kollision widerstreitender Interessen folge. Stattdessen seien das Interesse der Vermögensverwalterin als Darlehensgeberin und das Interesse der Anleger gleichgerichtet auf die Prosperität des Unternehmens zwecks Bedienung der jeweiligen Zins- und Rückzahlungsansprüche. Es liege also eine Interessenparallelität von Anleihegläubigern und Darlehensgeberin am wirtschaftlichen Erfolg der Emittentin nahe. Daran könne auch die nachträglich eingetretene Insolvenz der Emittentin nichts ändern. Da die Revision nicht zugelassen worden ist, ist das Urteil rechtskräftig.
OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 10.4.02017 – 23 U 48/16 (Vorinstanz: LG Frankfurt)
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