OLG Oldenburg:

     

     

    04. September 2015 | Die Rückforderung von gewährten Provisionsvorschüssen ist auch bei Handelsvertretern möglich, wenn diese Vertriebsvorgaben nicht erreichen.

    OLG Oldenburg: Rückzahlung von Provisionsvorschüssen nach Kündigung eines Handelsvertretervertrages ist nicht grundsätzlich unzulässig

    Einer aktuellen Entscheidung des Oberlandesgerichtes Oldenburg zufolge sind Vereinbarungen zwischen einem Handelsvertreter und einem Unternehmer, nach denen nicht „ins Verdienen“ gebrachte Provisionsvorschusszahlungen bei vorzeitiger Beendigung des Vertragsverhältnisses vom Handelsvertreter zurückzuzahlen sind, zulässig. Insbesondere stellt die Regelung kein unzulässiges Kündigungserschwernis dar.

    Sachverhalt: Der Beklagte war als Handelsvertreter für die Klägerin tätig, die als Maklerin mit der Vermittlung von Finanzdienstleistungen und Versicherungen befasst ist. Zwischen den Parteien war vereinbart, dass der Beklagte für seine Tätigkeit zunächst statt der monatlich abzurechnenden Provisionen ein (der Höhe nach auf seiner Einschätzung des zu erwartenden Umsatzerfolges basierendes) Fixum in Höhe von monatlich Euro 6.000 EUR erhalten sollte. Die tatsächlich entstehenden Provisionen sollten den vertraglichen Regelungen zufolge regelmäßig abgerechnet und Provisionsüber- oder -unterschüsse bei Beendigung der Vergütungsvereinbarung von den Parteien ausgeglichen werden. Die Vereinbarung konnte mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende gekündigt werden. Unabhängig von einer Kündigung endete die Vereinbarung nach Ablauf von 30 Monaten.

    Nach Kündigung der Vereinbarung durch den Kläger verlangte die Beklagte die Rückzahlung der die tatsächlich verdienten Provisionen übersteigenden Zahlungen.

    Rechtslage: Im Handelsvertreterrecht gelten weitreichende Kündigungsschutzvorgaben zugunsten des Handelsvertreters. Eine Regelung zur Kündigung des Handelsvertreters ist nach §§ 89, 134 BGB unwirksam, wenn daran wesentliche Nachteile geknüpft werden, die dem Handelsvertreter eine Kündigung faktisch verwehren. Eine solche Einschränkung sah das Landgericht gegeben an und wies die Klage ab. Daraufhin ging die Klägerin in die Berufung.

    Urteil: Das OLG hat dem Rückzahlungsverlangen der Klägerin stattgegeben. Bei den an den Handelsvertreter gezahlten Beträgen handele es sich – entgegen der Bezeichnung „Fixum“ – nicht um garantierte „Fixzahlungen“, sondern um „ins Verdienen“ zu bringende Provisionsvorschüsse. Eine derartige Vereinbarung, wonach nicht ins Verdienen gebrachte Vorschüsse bei Vertragsbeendigung vom Handelsvertreter zurückzuzahlen sind, stellt nach Ansicht des OLG keine unzulässige Kündigungsbeschränkung zulasten des Handelsvertreters dar. Denn eine unwirksame Kündigungsbeschränkung bestehe nur dann, wenn an eine Kündigung des Handelsvertreters wesentliche Nachteile geknüpft werden, die ihm eine Kündigung faktisch verwehren. Dies sei von der Beurteilung des Einzelfalles abhängig. Ein solcher Nachteil habe nicht vorgelegen, weil zum einen die Höhe der gezahlten Vorschüsse auf den vom Beklagten selbst mitgeteilten Umsatzerwartungen beruhte und zum anderen die Rückzahlungsverpflichtung im Fall der Vertragsbeendigung einen Ausgleich zwischen gezahlten Vorschüssen und tatsächlich verdienten Provisionen vorsah. Außerdem war die Vergütungsregelung auf drei Jahre befristet und innerhalb dieses Zeitraums von beiden Parteien jederzeit kündbar, so dass ein Auflaufen erheblicher Provisionsrückstände vermeidbar war.

    OLG Oldenburg, Urteil vom 30.03.2015 – 13 U 71/14

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