Vermittler- und Beraterhaftung:

 

 

14. Oktober 2015 | Wenn Schadensersatzansprüche auf verschiedene Pflichtverletzungen gestützt werden, ist laut aktuellem BGH-Urteil jede Pflichtverletzung verjährungsrechtlich eigenständig zu behandeln.

BGH unterscheidet Beginn der Verjährungsfrist je behaupteter Pflichtverletzung

Laut aktuellem BGH-Urteil beginnt die Verjährung dann nicht einheitlich zu laufen, wenn der Schadensersatzanspruch eines Anlegers auf verschiedene Aufklärungs- oder Beratungsfehler gestützt wird. Vielmehr ist jede Pflichtverletzung verjährungsrechtlich eigenständig zu behandeln.

Sachverhalt: Der Kläger nimmt die Beklagte im Zusammenhang mit einer Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds auf Schadensersatz in Anspruch. Er zeichnete Anfang Juni 1994 eine Kommanditbeteiligung über 60.000 DM. In dem den Anlegern mitgeteilten Rechenschaftsbericht der Fondsgesellschaft für das Jahr 2006 wurde auf eine liquide Unterdeckung wegen Mietausfalls in Höhe von ca. EURO 63.000,- genauso hingewiesen wie auf das Risiko, dass Anleger im Insolvenzfall die bisher erhaltenen Ausschüttungen zurückzahlen müssen.

Der Kläger behauptet, er sei nur an sicheren, zur Altersvorsorge geeigneten Anlageprodukten interessiert gewesen. Der Vermittler habe ihn nicht darüber aufgeklärt, dass es sich um eine unternehmerische Beteiligung mit Totalverlustrisiko handele, die Fondsimmobilie zu circa 35 % über Fremdkapital finanziert und die Beteiligung wirtschaftlich nicht plausibel sei. Gleiches gelte für das Risiko des Wiederauflebens der Haftung gemäß § 172 Abs. 4 HGB und das Fehlen der Fungibilität der Anlage. Der ihm erst ca. zwei Jahre nach Zeichnung übersandte Fondsprospekt sei hinsichtlich der Investitionsplanung, Finanzierung, Mietpreisentwicklung, Mietgarantien, Kommanditistenhaftung und des Fungibilitätsrisikos fehlerhaft und unvollständig.

Eingang der Klageschrift bei Gericht war am 16. Dezember 2011 und Zustellung bei der Beklagten am 16. Januar 2012. Das Landgericht wies die Klage ab wegen Verjährung etwaiger auf die Verletzung einer Aufklärungs- oder Beratungsflicht gestützter Ansprüche des Klägers – spätestens zum 31. Dezember 2010. Gegen die ebenfalls abweisende Berufung richtete sich die Revision des Klägers, die der erkennende Senat zugelassen hat, soweit die Klageforderung auf den Vorwurf der unterbliebenen Aufklärung über die eingeschränkte Fungibilität der Beteiligung gestützt wird.

Rechtslage: Schadensersatzansprüche von Anlegern gegen Berater oder Vermittler unterliegen der Verjährung. Die Frist beträgt bei Kenntnis des Anlegers von dem Pflichtverstoß drei Jahre und bei Unkenntnis 10 Jahre, wobei die 10-Jahresfrist bei den in Rede stehenden Fällen mit Ablauf des 2. Januar 2012 (Montag) endete. Insoweit war hier strittig, ob hier mit der Klage aus Dezember 2011 der Ablauf der Verjährung gehemmt wurde.

Urteil: Der BGH entschied, dass die Auffassung des Berufungsgerichts, wonach alle etwaigen Schadensersatzansprüche des Klägers aus positiver Vertragsverletzung eines Anlageberatungsvertrags verjährt sind, einer rechtlichen Prüfung nicht Stand hält. Die Lektüre des Rechenschaftsberichtes war geeignet, bei dem Anleger Zweifel an der Eignung der Kapitalanlage zur Altersvorsorge hervorzurufen, so dass er in diesen Punkten grob fahrlässige Unkenntnis hatte und somit die kurze Verjährungsfrist von drei Jahren greife.

Schadensersatzansprüche des Klägers wegen der unterbliebenen Aufklärung über die eingeschränkte Fungibilität der Beteiligung seien hingegen nicht verjährt. Die unterbliebene Aufklärung über die eingeschränkte Fungibilität konnte nicht durch Vorlage der Rechenschaftsberichte geheilt werden. Auch sei es nicht möglich, alle Aufklärungsfehler zu einem einheitlichen Beratungsfehler zusammenzufassen, um Pflichtverletzungen verjährungsrechtlich einheitlich zu behandeln.

BGH, Urteil vom 02. Juli 2015, Az.: III ZR 149/14 (Kammergericht Berlin)

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